Udo Lindenberg-„Mit 70 noch ordentlich Party machen“

Auf seiner neuen CD „Stark Wie Zwei“ reflektiert Udo Lindenberg über sein Leben und präsentiert sich als Elder Statesman der deutschen Rockmusik.
Als Anfang des Jahres die ersten Nachrichten von einer neuen CD des Wahlhamburgers Udo Lindenberg zu vernehmen waren, hielt sich das allgemeine Interesse in Grenzen. Zu oft schien der Altrocker, der im Mai 2006 seinen 60. Geburtstag beging, in den zurückliegenden Jahren zu einer Karikatur seiner selbst geworden zu sein und nicht nur einmal touchierte Lindenberg dabei die Grenze zur Peinlichkeit.

Sein Kollege Helge Schneider sorgte bei seinen Shows mit der Lindenberg-Parodie „Fink und Zeisig“ regelmäßig für Lachssalven. „Ich wusste gar nicht, dass ich so bescheuert wirke“, meint Lindenberg grinsend, der über die Schneider-Parodie dennoch herzhaft lachen musste. Es zeigt die Größe Lindenbergs, dass er für sein neues Album „Stark Wie Zwei“ ausgerechnet Helge Schneider einlud und mit ihm den herrlich skurrilen Song „Chubby Checker“ aufnahm, in dem die beiden zwei Hausdetektive in Lindenbergs Domizil, dem Hamburger Hotel Atlantik, mimen. Die Nummer ist zum Schießen.


Das neue Album heißt „Stark Wie Zwei“

Selbstironischer Rock-Opa
Das Duett Lindenberg-Schneider ist der komische Höhepunkt der CD. Auch das selbstironische Stück „Der Greis ist heiß“ zeigt Lindenbergs komödiantische Ader. „Ältere Leute stehen aus meiner Sicht nicht für Durchhängen, Wegschlaffen und Gruftitum, sondern es müssen Meister sein. Sie sollten nicht gefrustet und mit langer Fresse als Botschafter der miesen Laune unterwegs sein, sondern als flammende Beispiele, was für eine Power man akkumulieren kann, wenn man nach irdischer Zeitzählung in die 60er oder gar 70er reinkommt.“

Das Älterwerden ist das bestimmende Thema der neuen Lindenberg-CD, die insgesamt eher von einer nachdenklichen Stimmung geprägt ist. In Stücken wie „Nasses Gold“, „Verbotene Stadt“ oder im Titelsong „Stark Wie Zwei“ reflektiert der bald 62-Jährige über sein ereignisreiches Leben, das von vielen Triumphen und ebenso vielen Abstürzen geprägt wurde. „Ich bin ja nun schon seit 35 Jahren dabei – das ist eine unfassbare Zeit“, sinniert Lindenberg. „Ich finde es ganz amüsant, dass ein Typ wie ich 60 geworden ist. Damit hatte ich gar nicht gerechnet – bei diesem Lebensstil: der Durchdreherei, dem Rock ’n’ Roll und Exzess. Normalerweise feiert man den 60. Geburtstag dann wahrscheinlich eher auf dem Friedhof und nicht auf einer großen Konzertbühne. Ich dachte früher, so wie du lebst, kriegst du vielleicht 40 hin. Aber wie es jetzt aussieht, werde ich auch mit 70 noch ordentlich Party machen.“
Kein Job im eigenen Museum
Mit „Stark Wie Zwei“ ist dem Panikrocker ein kaum noch erwartetes Comeback gelungen. Die CD zeigt einen Udo Lindenberg, der sich stark mit seiner Vergangenheit auseinander setzt und dennoch auf der Höhe der Zeit ist. Auch die Zusammenarbeit mit deutlich jüngeren Kollegen wie Jan Delay („Ganz Anders“) oder Silbermond („Nicht zuviel“) wirken weder deplatziert noch aufgesetzt, sondern reihen sich nahtlos in ein in sich geschlossenes und gelungenes Rockalbum ein, wobei Till Brönners Komposition „Verbotene Stadt“ neben Gassenhauern wie „Wenn du durchhängst“ oder „Mein Ding“ herausragt.

Lindenbergs neues Album ist der Beweis dafür, dass man als Rockmusiker in Würde altern kann und dabei wirklich etwas zu sagen hat. Er selbst sieht sich auf einem guten, wenn auch ungewissen Weg: „Ich möchte nie Direktor im eigenen Panikmuseum werden, es muss auch in der Zukunft möglich sein, Schritte ins Niemandsland zu wagen, wo man nicht genau weiß, wo’s lang geht.“

Von FOCUS-Online-Autor Holger Erdmann www.focus.de