Sigis Info Forum....the best of *NEWS*
Würden Sie gerne auf diese Nachricht reagieren? Erstellen Sie einen Account in wenigen Klicks oder loggen Sie sich ein, um fortzufahren.

Braunbären zum zweiten Mal vom Aussterben bedroht

Nach unten

Braunbären zum zweiten Mal vom Aussterben bedroht Empty Braunbären zum zweiten Mal vom Aussterben bedroht

Beitrag von duncan Mi Apr 02, 2008 11:28 pm

Braunbären zum zweiten Mal vom Aussterben bedroht

Österreichs Naturschützer schlagen Alarm: In den nördlichen Kalkalpen, so warnen Experten der Umweltorganisation WWF (World Wide Fund for Nature), droht dem vielleicht ehrgeizigsten Projekt der Organisation in der Alpenrepublik das Aus. Der vor über drei Jahrzehnten begonnene Versuch, den Braunbären in seinem früheren Lebensraum wieder anzusiedeln, ist akut vom Scheitern bedroht. Ursus arctos, der europäische Braunbär, ist hier zum zweiten Mal vom Aussterben bedroht. Vor 150 Jahren war er das erste Mal in dem Alpenland von der Bildfläche verschwunden.

33 Tiere verschwunden

Wenn die intensiven Nachforschungen der WWF-Biologen und des Forschungsinstituts für Wildtierkunde der Universität Wien (FIWI) zutreffen, dann leben in den zwei großen Siedlungsräumen des Landes zurzeit nur noch zwei Tiere der Bären-Kolonie, die vor nicht langer Zeit auf 35 angewachsen war. Die übrigen Tiere, so rätseln die Experten, sind "spurlos verschwunden".

Ein Geheimnis

Warum sich die Vettern des italienisch-bayerischen "Problembären" (Edmund Stoiber) Bruno ausgerechnet im Nachbarland rarmachen, ist langjährigen Beobachtern ein Geheimnis. Tatsächlich ist die Lage für das in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit so viel Enthusiasmus begonnen Projekt verzweifelt. "Gegenwärtig haben wir nur noch von zwei männlichen Bären gesicherte DNA-Spuren" räumt Christoph Walder, Leiter des WWF-Bärenprojekts, in Innsbruck ein. Daten gebe es lediglich vom inzwischen 19-jährigen Djuro und seinem sieben Jahre alten Sohn Moritz. Sollte sich an dieser Lage nichts ändern, wäre das Ende des Projekts zur Wiederansiedlung der gewaltigen Tiere abzusehen, das vor fast 30 Jahren mit viel Enthusiasmus begonnen wurde.

Die letzte Hoffnung

Keine gesicherte Spur haben die Bärenschützer dagegen von Elsa, einer Halbschwester von Moritz, der auf der Suche nach einer Partnerin zur Paarung gewöhnlich im Salzkammergut herumstreunt. Elsa galt allerdings auch schon früher in den Wintermonaten als besonders vorsichtiges Tier. "Meist kommt sie erst im März, April aus ihrer Winterhöhle, da ist also das letzte Wort noch nicht gesprochen", hofft Projektleiter Walder. Da Djuro und Elsa im gleichen Gebiet lebten, wäre dann eine Paarung der Beiden und hoffnungsvoller Nachwuchs jederzeit wieder möglich. Doch erst im Frühsommer werde man Klarheit haben, ob auch das letzte weibliche Tier verschwunden ist.

Einwanderer aus Slowenien

Die Geschichte der Wiederansiedlung von Bären in Österreich begann bereits in den frühen 70er Jahren. Nach dem Aussterben von Ursus arctos im 19. Jahrhundert wurde der erste Braunbär 1972 am Ötscher, einem Bergmassiv bei Mariazell, gesichtet. Bei ihm handelte es sich um einen Einwanderer aus dem Nachbarland Slowenien. Einige Jahre später setzte man dann die slowenische Bärin Mira - mit einem Sender versehen - in dem Gebiet aus. Sie brachte 1991 ihre ersten Jungen zur Welt. Insgesamt hatte sie drei Junge von dem alten Immigrantenbären. 1992 setzten die Tierschützer dann die Bärin Zilka aus und 1993 den Jungbären Djuro, der inzwischen mit 19 Jahren einer der beiden letzten verbliebenen männlichen Tiere in Österreich ist.

Erste Schießgenehmigung

Das Projekt Braunbär entwickelte sich zunächst prächtig. Doch 1994 musste das Programm vorübergehend gestoppt werden, weil die Schäden durch die wandernden Tiere überhandnahmen. "Seinerzeit lagen die Schäden bei umgerechnet bei 70.000 Euro", seufzt Beate Striebel, Artenschutzexpertin vom Bärenprojekt des WWF. Doch trotz des schnellen Schadensersatzes durch die Behörden wuchs der Unmut in der Bevölkerung. In der Folge erteilten die Behörden erstmals die Genehmigung zum Abschuss von zwei männlichen Tieren: Nurmi und Grünau. Ein Bär wurde - ähnlich wie Bruno - wegen seiner Zerstörungsorgien auf Anordnung der Behörden gezielt getötet, der zweite - so heißt es - in Notwehr.

Spielregeln entwickelt

Daraufhin legte der WWF eine Denkpause ein. Die Tierschützer entwickelten einen Plan zum "Bärenmanagement", um Spielregeln für den Umgang mit Problembären zu schaffen. "Für eine gelungene Wiederansiedlung braucht man nicht nur den Lebensraum, sondern die volle Unterstützung der Bevölkerung und die Hilfe der Jäger", erklärt Striebel. Bären sind von Haus aus wegen ihrer körperlichen Behäbigkeit tapsige und schlechte Jäger. Dafür sind sie viel zu langsam.

Sägeöl getrunken

Ein Bär versucht mit dem geringsten Aufwand an Nahrung zu kommen. "Er muss schon über die Beute fallen, dann schlägt er zu", berichtet Bärenschützer Georg Rauer. Auf der Suche nach Nahrung greifen die Tiere deshalb zu allem Fressbaren, das ihnen über den Weg läuft. Seien es Bienenstöcke, Aas, Lämmer auf der Weide oder auch das leckere Futter für Rotwild in den Krippen. "Einer hat hier sogar das Rapsöl für eine Motorensäge getrunken", erzählt Oberförster Alfred Pfemeter im Ötschergebiet. Nur die Scheu vor Menschen hält die Petze gewöhnlich von Ausflügen in deren Ansiedlungen ab.

Bärenanwälte installiert

1995 legte der WWF dann seinen ersten Bärenplan vor. Mit Unterstützung der Umweltbehörden wird das Konzept umgesetzt, werden Bärenanwälte ernannt und eine "Eingreiftruppe" aus Experten, Biologen und Förstern eingesetzt. Drei Bärenanwälte übernehmen "eine Mittlerrolle zwischen Tier und Mensch", erzählt Beate Striebel. Insgesamt arbeitet heute in Österreich ein knappes Dutzend freiwilliger und hauptamtlicher Helfer in dem Projekt.

Unterschiedliche Strategien

Dass ein solches Bärenmanagement durchaus erfolgreich sein kann, zeigen Projekte in Italien und Spanien, aber auch in Rumänien, Slowenien und in der Slowakei, wo bei zum Teil deutlich kleineren Bevölkerungszahlen das Zigfache der österreichischen Bärenpopulation lebt. Allein in Slowenien gibt es nach zuverlässigen Schätzungen etwa 500 Tiere. Dabei gehen die einzelnen Länder durchaus unterschiedlich vor. So arbeiten im Trentino, woher auch der unglückliche Bruno stammte, Berufsförster als Bärenmanager. In Österreich sind es meist Biologen.

Auch in der Alpenrepublik lief zunächst alles nach Plan. Innerhalb weniger Jahre wächst die Population der Braunbären in den großen Siedlungsräumen Kärntens, der Steiermark und Niederösterreichs auf schätzungsweise 35 Tiere an. In der Hoffnung auf weitere Zuwanderung aus Slowenien bauen die Artenschützer sogar Bärenbrücken über Autobahnen, um Wanderungsbewegung der Tiere zu unterstützen. Doch dann kam die Ernüchterung. Vor zwei Jahren zählte der WWF plötzlich nur noch von 20 Tiere in den drei Bären-Siedlungsgebieten. Und dann kam es zum Bruno-Eklat. Der aus Italien stammende Braunbär erregt durch seine Streifzüge in Österreich und bis nach Bayern hinein weltweit Aufsehen und wird angesichts der fast exzessiven medialen Beleuchtung zum Volkshelden.

Erregung durch Abschuss

Der Abschuss von JJ-Uno alias Bruno, der - nach den Regeln des 2005 überarbeiteten Bärenmanagements - mit Zustimmung des WWF erfolgt, löst vor allem in Bayern, aber auch in Österreich Entrüstung aus und schadet dem Image der Tierschützer. Doch es kommt noch schlimmer: Wenige Wochen später müssen die im Bärenprojekt arbeitenden Wissenschaftler eingestehen, dass mit Brunos österreichischen Vettern etwas nicht stimmt. Vor Journalisten gestehen die Projektleiter: Von den ursprünglich 35 Tieren sind bestenfalls noch 20 am Leben. Von vielen Tieren, insbesondere dem Nachwuchs, fehlt plötzlich jede Spur.

Raffinierte Fallen erfolglos

Die Wissenschaftler machen sich auf die Suche, stellen den Tieren raffinierte Fallen, um Spuren für den sogenannten genetischen Fingerabdruck der einzelnen Tiere zu erhalten. "Wir wollen versuchen, die Tiere zu besendern (mit einem Sender ausstatten), damit wir sie besser kontrollieren können", kündigen die Bärenschützer an. Doch immer mehr Tiere verschwinden spurlos. Für die Projektleiter ist die Entwicklung ein Rätsel.

Schwer zu orten

Ohne einen Sender lassen sich die Tiere aber nur schwer verfolgen: "Ich habe Bären bei meiner Arbeit vielleicht ein-, zweimal im Jahr gesichtet", berichtet Oberförster Pfemeter, der im Ötscher-Gebiet bei der Suche nach Spuren der vermissten Tiere geholfen hat. Lockige Haarbüschel, Kratz- oder Fußspuren sind oft der einzige Hinweis auf die Anwesenheit der Tiere. Doch auch solche Indizien fehlen inzwischen. Spätestens seit Ende 2007 wissen die Artenschützer, dass Meister Petz in der Alpenrepublik akut vom Aussterben bedroht ist. Im Januar stellt der WWF nach Gentests fest: "Nur noch zwei Bären sind am Leben."

Lebensraum ist da

Entsprechende Informationen gehen auch an die EU-Kommission in Brüssel, die Ursus arctos dann auch schlechte Aussichten für sein Überleben in der Alpenrepublik konstatiert. Dabei, so Bären-Projektleiter Christoph Walder, "gibt es in Österreich auf rund 25.000 Quadratkilometern genügend geeigneten Lebensraum für unsere Bären". Und Chris Walzer vom FIWI meint sogar: "Nach der europäischen Fauna-Flora-Habitatrichtlinie hat Österreich die Pflicht, für seine bedrohten Arten einen 'günstigen Erhaltungszustand' sicherzustellen."

Sind die Wilderer schuld?

"Ja, die Lage ist wirklich dramatisch", gesteht Bärenanwalt Walder. "Im Prinzip wissen wir seit zwei, drei Jahren, dass etwas nicht stimmt. Doch inzwischen sind wir uns leider sicher." Lange zögerten die Artenschützer mit der Zuweisung von Schuld. Hinter vorgehaltener Hand gab man Wilderern die Schuld an der Misere. Wissenschaftler benennen mehrere Möglichkeiten für den unerklärlichen Schwund: "Das ist einmal die Abwanderung der Tiere etwa durch Nahrungsmittelmangel, dann die natürliche Sterblichkeit und schließlich die 'illegale Entnahme'." Eine freundliche Umschreibung für Wildern.

Jäger wehren sich

Österreichs überaus zahlreiche Jägerschaft wies diesen Vorwürfe 2007 empört zurück. "Wie man einen Bären schießen und wegschaffen will, ohne dass es bemerkt wird, muss man mir erst zeigen", reagierte Peter Lebersorger, Chef des Landesjagdverbands Niederösterreich, noch 2007 unwirsch auf entsprechende Vorwürfe. "Gerade Berufsjäger haben ein viel offeneres Herz (für die Bären)." Das mag so sein, doch dann entdeckte die Polizei im Haus eines Hobbyjägers das schlecht präparierte Fell eines Jungbären, der eindeutig aus dem lokalen Bestand stammte.

Aufgeben ist nicht geplant

Bis die genaue Ursache des Verschwindens gleich mehrerer Bärengenerationen geklärt ist, wollen die Artenschützer nun erst einmal keinen Versuch unternehmen, die Wiederansiedlung zu forcieren. Die, so glaubt Bärenanwalt Walder, sei eigentlich durch Importe aus dem Nachbarland Slowenien jederzeit wieder möglich. Nach einer Regierungsstudie hat Österreich Lebensraum für bis zu 500 Bären. "Zunächst aber müssen wir erst einmal die Fehler suchen und uns an die eigene Nase fassen." Aufgeben werde man jedenfalls nicht: "Um Gottes Willen, nein!", sagt der Biologe entschieden. Ein solches Projekt könne man nur machen, "wenn man dran bleibt". Es sei "einfach eine Grundsatzfrage: Wollen wir Bären wiederansiedeln oder nicht, und wir alle haben beschlossen, dass wir das tun wollen."


Quelle
duncan
duncan

Männlich
Anzahl der Beiträge : 1647
Alter : 34
Ort : Odenwald
Arbeit/Hobbies : Auszubildener als Einzelhandelskaufmann im Fachbereich Sanitär
Laune : gut^^
Anmeldedatum : 15.03.08

http://linienfuehrung.forumieren.de

Nach oben Nach unten

Nach oben

- Ähnliche Themen

 
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten