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Krimi der Woche-Tot, aber doch lebendig

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Krimi der Woche-Tot, aber doch lebendig Empty Krimi der Woche-Tot, aber doch lebendig

Beitrag von sigi Mi Jun 11, 2008 7:18 pm

Vor 70 Jahren starb Friedrich Glauser, der Schöpfer von „Wachtmeister Studer“. Frank Göhre setzt dem Urvater des deutschsprachigen Krimis ein lesenswertes Lebensdenkmal.
Frank Göhre, MO – Der Lebensroman des Friedrich Glauser, Pendragon Hardcover, 256 Seiten, 19,90 Euro


Zürich in den Dreißigern – in einem Schriftstellerclub. Es liest ein nicht mehr ganz junger Autor. „Die versammelten Schriftstellerkollegen hörten ihm gebannt zu. Kein trockenes Husten, kein Stühlerücken, kein Füßescharren war zu vernehmen, nur das leise Knistern der Kerzenflammen verwob sich mit dem Vorgelesenen.“

Wachtmeister Studer ermittelt
Vor den Kollegen sitzt Friedrich Glauser, 1896 in Wien geborener Sohn einer österreichischen Mutter und eines Schweizer Vaters. Herumtreiber, Journalist, Teilzeit-Dadaist. Ex-Fremdenlegionär, Charmeur und Junkie, aber vor allem: Schriftsteller. Was er liest, ist ein Auszug aus seinem Kriminalroman „Schlumpf, Erwin, Mord“. Es ist eine Kriminalgeschichte, die sich mit ihrer Hauptfigur, einem Fahnder-Wachtmeister von der Berner Kantonspolizei, ein wenig an den Kommissar Maigret von Georges Simenon anlehnt, die aber vor allem von der lebensechten, dichten Atmosphäre und den perfekt abschattierten Charakterzeichnungen lebt.

Glausers Ermittler, der Wachtmeister Studer, „ein älterer Mann, an dem nichts Auffälliges war“ taucht ein in die Milieus, empfindet eher, als dass er ermittelt, denn er meint: „Ich brauch weniger die Tatsachen als die Luft, in der die Leute gelebt haben ...“

Dank MO „unter Kuratel“
Der Abend, an dem Glauser in dem Zürcher Schriftstellerclub liest, ist die Geburtsstunde des wohl prägendsten deutschsprachigen Kriminalschriftstellers, seine „Wachtmeister Studer“-Romane gehören seither zu den Klassikern des Genres. „Glauser legte die Manuskriptseiten aus der Hand. Einen Moment lang blieb es noch still. Doch dann brandete ein Applaus auf, der ihm den Hals eng und die Augen feucht werden ließ.“ Dieser Glauser, der sich da vor den Kollegen präsentiert, ist eine schillernder Zeitgenosse – er steht, seit er 21 ist, „unter Kuratel“, will sagen: Er ist von seinem Vater entmündigt, weil er unter anderem die Finger nicht von den Drogen lassen kann, dem Morphium, das er in seinen Aufzeichnungen düster als „MO“ chiffriert.

So nennt Frank Göhre auch seine jetzt erschienene Romanbiografie: „MO – Der Lebensroman des Friedrich Glauser.“ Glausers Todestag jährt sich in diesem Jahr zum 70. Mal, und Frank Göhre erweist ihm in seinem „Lebensroman“ eine wunderbare Referenz.

Frank Göhre hat selbst mit seiner legendären St.-Pauli-Trilogie (1986-89), die er jüngst mit „Zappas letzter Hit“ zum Quartett ausbaute, deutsche Krimi-Geschichte geschrieben, und es konnte keinen besseren Biografen für Glauser geben als ihn. Nicht nur weil der mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnete Wahl-Hamburger sich schon seit fast 20 Jahren mit Glauser befasst und sich als Herausgeber um das Werk des Urvaters des deutschsprachigen Zweigs der Gattung Kriminalroman verdient gemacht hat. Sondern, weil Göhre es ganz besonders als Autor auch versteht, was einen Autor umtreibt bei seiner Suche nach dem richtigen Leben, dem richtigen Stoff, den richtigen Sätzen, dem richtigen Wort.

Der Mensch Glauser
Göhre geht in seiner emphatischen Romanbiografie mit seiner Hauptfigur Glauser respektvoll, aber nicht unkritisch um. Viele der typografisch abgesetzten „Textzeugnisse“, die er in seinen dynamischen, drehbuchschnell gestalteten Lebensbericht einschneidet, sind in Wahrheit, wie Göhre auch sofort zugibt, Nachempfindungen, Nachdichtungen, Synthesen aus Glauser Briefen, biografischen Notizen und Werken, aber auch aus seinen Patientenakten der Psychiatrie und anderem Material. Damit füllt Göhre die blinden Stellen im disparaten Lebenslauf des Friedrich „Chlaus“ Glauser auf und bringt damit dem heutigen Leser seinen „Zeitgenossen Glauser“ näher als das jede literaturwissenschaftliche Arbeit es tun könnte. Indem uns Göhre nämlich den Menschen Glauser zeigt.

Er sinkt zusammen. Er kommt nicht mehr zu Bewusstsein. Er atmet aber noch 30 Stunden.“ In den ersten Stunden des 8. Dezember 1938 stirbt Friedrich Glauser in Nervi bei Genua, einen Tag vor seiner Hochzeit mit seiner treuen Lebensgefährtin und Krankenschwester. Frank Göhre verdanken wir, dass er lebendig bleibt.
Von FOCUS-Online-Autor [url=http://www.focus.de/intern/impressum/autoren?id=4397&art=307814]Reinhard Jahn www.focus.de
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