Honda Civic Type R: Viagra für die Nackenhaare

Jeder, der über gefühlte 35 Jahre alt ist, darf an dieser Stelle getrost zu lesen aufhören, denn hier ist Playstation-Feeling bzw. eine Fast-and-Furious-Einstellung angesagt. Der Honda Civic Type R ist jung und wild: Er steht da wie eine Blech gewordene geballte Faust – und so fährt er sich auch.




Großartige Schalensitze umfassen Fahrer und Beifahrer, der Fußraum ist böse rot beleuchtet, der Schaltknauf pures gebürstetes Alu – ist er (im Winter) zu kalt, bist du zu schwach. Die Armaturen wie aus einer Spielkonsole: Alles ist futuristisch angelegt, links ein knallroter „Engine Start“-Knopf (eher unsinnig, denn das Zündschloss ist rechts, man braucht zum Starten also beide Hände), der Digitaltacho thront über allem, eine Etage darunter leuchtet in Blau, Weiß und Rot der Drehzahlmesser, auf dem es einiges zu sehen gibt. Drehzahlen nämlich. Hohe Drehzahlen.



Viagra für die Nackenhaare
Die Maximalleistung von 201 PS steht bei uferlosen 7.800/min. zur Verfügung, erst bei 8.500/min. landet der ambitionierte Fahrer im Begrenzer. Hohe Drehzahlen belohnt der Type R dabei nicht nur mit Leistung, sondern vor allem auch mit Sound. Ab 5.500/min. schaltet die variable Ventilsteuerung um auf lange Öffnung, was sich anfühlt wie ein kleiner Nachbrenner. Ab sofort röhrt es so diabolisch, dass es einem die Nackenhaare aufstellt und man – sofort süchtig geworden – diesen Drehzahlbereich nicht mehr verlassen möchte.

Das Beschleunigungsgefühl ist wie bei einem Gummiband, nur umgekehrt, denn es reißt umso mehr an, je schneller man wird, weil mit der Motordrehzahl ja die Kraft immer mehr wird. Mit dem knackigen Sechsganggetriebe ist es eine Freude, die Drehzahl im positiven Bereich zu halten. Der 2-Liter-Vierzylinder-Saugmotor hängt genial am Gas, jede Druckveränderung am Gaspedal wird umgesetzt – in Vortrieb einerseits wie in Nackenhaaraufstellung andererseits. Trotz gut 1,3 Tonnen Leergewicht ist in 6,6 Sekunden Tempo 100 erreicht, Top Speed ist 235 km/h.



Da ist Rennfeeling angesagt
Das Fahrwerk ist für die Rennstrecke gemacht, relativ kompromisslos und hart. In Kurven carvt der Type R wie auf Kanten, die Lenkung gibt gutes Feedback und ist wunderbar direkt. Ich fühle mich ans Motorradfahren erinnert, denn auf zwei Rädern kommt die Leistung auch meist über hohe Drehzahlen, dazu der digitale Tacho, und in die Kurve legen macht auch im Civic Spaß.

Bei all der brachialen Rennoptik mag man es dem Type R verzeihen, dass manche Kunststoffflächen etwas billig wirken oder die Stellung des Umluftknopfes tagsüber nicht zu erkennen ist. Etwas störender sind die zu grob rastende Sitzlehnenverstellung und der nicht ideale Scheibenwischerbereich: Da bleibt seitlich zu viel Dreck stehen, der die Sicht einschränkt. Auch die Sicht nach hinten ist mäßig, da der Spoiler die Heckscheibe zweiteilt und der untere Scheibenteil dauerschmutzig ist.
Abseits der Rennambitionen ist der Civic Type R ein grundsolides, ich möchte fast sagen vernünftiges Auto: 456 Liter Kofferraumvolumen, der Normverbrauch liegt bei 9,1 Litern. Acht Airbags sind Serie, ebenso ABS, ESP, Isofix-Sitze, MP3-Radio mit tollem Sound und was man sonst noch so braucht. Einzige Punkte auf der Aufpreisliste: Metalliclackierung (475 Euro), DVD-Navi (3.000) und Parkpiepserl für hinten (notwendig, 430 Euro).
Gut 31.000 Euro stehen in der Liste für einen stark ausgestatteten Volks-Sportler, der für echtes Rennfeeling sorgt und dessen Sound echt süchtig macht.
Stephan Schätzl www.krone.at