Ferienhaus - Wohnen wie vor 100 Jahren

Urlaub der anderen Art!

Am Fenster rauscht der Zug vorbei: Nostalgiker können demnächst im Schwarzwald ein historisches Bahnwärterhäuschen mieten und wohnen wie anno dazumal.



Christoph Freudenberger zieht heftig an der Türklinke, während er mit der anderen Hand den altmodischen Schlüssel umdreht. Es knarzt etwas, als er das Türblatt des denkmalgeschützten Gebäudes bei Triberg nach innen schiebt. Er betritt ein altes Bahnwärterhäuschen an der Schwarzwaldbahn. Der Sankt Georgener hat der Bahn das Gebäude abgekauft und richtet es derzeit mit historischen Baumaterialien so originalgetreu wie möglich her. Sein Ziel: Er will Ferien im Baudenkmal anbieten.

Der ehemalige Entwickler bei einem großen Autohersteller, der inzwischen auf Bausanierung umgesattelt hat, entdeckte das Haus bei einer Dienstreise mit der Bahn. Auf den ersten Blick war es keine Schönheit: „Es stand da so neben dem Bahndamm und schien entweder aufgegeben oder kurz vor dem Abbruch.“ Die Fenster waren eingeschlagen, die Tür stand offen, und im Inneren hatten Unbekannte gehaust, erinnert sich der neue Besitzer an seinen ersten Besuch. Auch das Dach war zum Teil schon eingestürzt. „Im Schlafzimmer wuchs das Unkraut aus der Matratze des Ehebetts.“



Die Sehnsucht nach früher
Das Bahnwärterhaus Nr. WP 61 stammt aus dem Jahr 1873. Bis in die 70er-Jahre war es bewohnt. In den 80er-Jahren hätte die Bahn das Haus am liebsten abgerissen: „Das ging aber nicht wegen des Denkmalschutzes. Da hat die Bahn wohl den Entschluss gefasst, das Haus wird kompostiert“, schildert Freudenberger. „Ich wünsche mir schon lange solche historischen Objekte im Originalzustand für meine Ferien, weil man darin ganz besonders schön Urlaub machen kann“, sagt er. Er sucht für die Einrichtung möglichst viele Möbel, Küchengeräte, Spielsachen und Bücher aus der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Gerade für Kinder sei es spannend, so zu leben und zu spielen wie vor 100 Jahren.

Entlang der Gleise wird Freudenberger einen Zaun anbringen müssen, damit niemand auf die Schienen gerät. Zwischen den Gleisen und dem Bahnwärterhaus wächst nur auf einem schmalen Streifen Gras, denn der Bahnwärter sollte vom Wohnzimmer aus die Schienen und die vorbeifahrenden Züge beobachten können. Im Winter hatten die Bahnwärter eine besondere Aufgabe, berichtet Freudenberger: „Da haben sie die Eiszapfen am Tunnel weggeklopft, damit die Züge ohne Schwierigkeiten einfahren konnten.“



Was die Bahn nicht braucht, verkauft sie
Die Deutsche Bahn zeigt nur verhaltenes Interesse am Restaurationsprojekt. Der Verkauf von Immobilien sei ein ganz normaler Vorgang, sagt ein Sprecher der Bahn AG in Stuttgart. „Wenn wir was nicht mehr brauchen, wird es verkauft, sei es ein Bahnhof oder eine Halle.“ Genaue Zahlen habe er nicht.

Joachim Müller-Bremberger vom Regierungspräsidium Freiburg kennt ähnliche Projekte in Südbaden. So habe am Kaiserstuhl im Winzerdorf Burgheim ein Investor ein winziges, denkmalgeschütztes Häuschen gekauft, liebevoll restauriert und vermiete es als Ferienhaus – mit riesigem Erfolg. Um Interessenten zeigen zu können, wie er sich Ferien im Baudenkmal vorstellt, stellte Freudenberger zunächst ein altes Bauernhaus bei Sankt Georgen originalgetreu wieder her. „Die Leute staunen, wenn sie da reinkommen“, berichtet er.

Nostalgische Ferienwohnungen liegen im Trend
200 bis 250 Übernachtungen im Jahr zählt Freudenberger dort inzwischen und liegt damit weit über dem Durchschnitt für normale Ferienwohnungen im Schwarzwald, bestätigt die Triberger Tourismusfachfrau Angelika Gulde. „Ich bin sicher, auch das Bahnwärterhäuschen wird von den Gästen gut angenommen werden, einfach weil es etwas ganz Besonderes ist.“ Ein Nachteil könnten die durchfahrenden Züge sein, räumt sie ein. „Aber die Leute, die dort buchen, wissen das ja.“

Freudenberger setzt auf Erholungssuchende, die es originalgetreu mögen. Im ehemaligen Ziegenstall am Bahnwärterhäuschen lagert er die Holzvorräte, spalten dürfen es die Gäste selbst. Gekocht wird auf einem alten Holzherd, in die Wohnstube kommt ein Kachelofen und ins Bad eine Badewanne mit Holzkessel. Ein kleines Zugeständnis an die heutige Zeit plant Freudenberger aber dennoch ein: Statt des alten Plumpsklos kommt eine moderne Toilette ins Haus.