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Argentinien - Der Glanz der Nacht

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Beitrag von Admin So Feb 22, 2009 11:00 am

Nicht nur Rio.....auch in Argentinien wird ordentlich gefeiert...


Bis Anfang März verwandelt der Karneval das Provinzstädtchen Gualeguaychú im Nordosten Argentiniens in ein brodelndes Tollhaus.

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Die Göttin strahlt. Die Perlen auf ihrem Dekolleté funkeln im Scheinwerferlicht. Mal hier ein Augenzwinkern, mal dort. Mal hier ein Foto, mal da. Es ist fünf Uhr nachmittag, und die Göttin macht sich fertig für ihren Auftritt. Noch trägt sie die riesige Federkrone unter dem Arm, die gertenschlanken Beine stehen still. Doch später, wenn der Abend hereinbricht über Gualeguaychú, wenn die Nacht sich über das kleine Städtchen im Niemandsland der argentinischen Pampa legt, dann wird sie ihren knapp bedeckten Körper im 345 000 Watt starken Kunstlicht baden, ihre Hüften im Rhythmus der Musik durch das Corsódromo, die Karnevalsarena, schwingen, und tanzen, als gäbe es kein Morgen.

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Diosa, die „Göttin“, wie sie sich selbst nennt, ist Vortänzerin bei Marí Marí, einer der traditionellen Karnevalsgruppen von Gualeguaychú, und eines der Aushängeschilder ihres Tanzensembles. Gemeinsam mit mehreren Dutzend Freundinnen und Freunden hegt sie die Hoffnung, den Wettbewerb der besten Karnevalsgruppe in diesem Jahr für sich zu entscheiden. Wer die Ausscheidung gewinnt, der ist etwas in der 90 000-Einwohner-Stadt. Er ist ein kleiner Star, den die Nachbarn gern grüßen. Erhobenen Hauptes kann er für ein Jahr durch die Gassen spazieren. Und jeder wird den Hut vor ihm ziehen.

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Jedes Jahr im Januar und Februar, wenn die Sonne unerbittlich auf das Zweistromland, wie die Argentinier das feuchte Schwemmland zwischen den Flüssen Río Uruguay und Río Paraná nennen, brennt, die Nächte heiß und schwül sind, erkennt man Gualeguaychú nicht wieder. Zehn Monate lang hat der Ort nicht viel zu bieten: einige Geschäfte, ein Krankenhaus, ein paar streunende Hunde. In der Karnevalszeit aber wird aus dem verschlafenen Nest ein Tollhaus. Der Karneval, selbstbewusst „carnaval del país“, Karneval des Landes, genannt, zieht jedes Wochenende 40 000 Besucher und mehr in seinen Bann: Sie kommen aus ganz Argentinien, aus Uruguay, Brasilien, und neuerdings sogar aus dem fernen Europa. Ein Hauch von Glamour, vom Duft der großen weiten Welt liegt dann für ein paar Wochen über der argentinischen Provinz.

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Bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Gualeguaychú Straßenumzüge, eingeführt von den Einwanderern aus Europa. In den 1920er- und 1930er-Jahren nahmen die Feierlichkeiten dann immer größere Ausmaße an. 1959 schließlich wurden die ersten großen Wagen eingesetzt, damals noch von Studenten gebaut. Der Durchbruch gelang Anfang der 80er-Jahre, als es einem örtlichen Unternehmer mit viel Geld gelang, den Karneval auch außerhalb des Landes bekannt zu machen: Tänzerinnen und Tänzer aus dem benachbarten Uruguay und aus Brasilien wurden eingeflogen. Sein heutiges Gesicht hat der Karneval seit 1997: dem Jahr der Eröffnung des Corsódromos, der 500 Meter langen und zehn Meter breiten Aufmarschallee, die gesäumt ist von Tribünen.

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75 000 Euro für einen Faschingswagen


Doch nicht immer lief in Gualeguaychú alles rund. Seit der Wirtschaftskrise von 2001 und der Loslösung des Peso-Kurses vom Dollar hat auch der Karneval stark gelitten. Statt einst fünf Karnevalsgruppen dürfen heute nur noch drei im Corsódromo auftreten: der Sieger des Vorjahres und die beiden Ensembles, die im vergangenen Jahr pausieren mussten. „Das hat etwas mit Geld zu tun“, sagt Ana, die auf einer der Tribünen steht, um ihrer Schwester zuzujubeln. Schließlich seien alle Kostüme handgemacht. Jeder der Wagen verschlinge im Jahr etwa 500 000 argentinische Peso, weiß die 22-Jährige, das sind etwa 75 000 Euro.

Bei der Wahl zum besten Karnevalsverein von Gualeguaychú spielt am Ende allerdings weniger das Geld eine Rolle als die Qualität der Darbietungen. Sieben Nächte müssen sich die Mitglieder der drei Gruppen die Seele aus dem Leib tanzen. Ein ums andere Mal ziehen die Wagen durch das Corsódromo, dann erst steht der Sieger fest. Die fünfköpfige Jury, deren Mitglieder jedes Wochenende wechseln, beurteilt neben der Dekoration der Wagen und den Kostümen auch die Musik und die tänzerischen Leistungen. Wer am Ende die Nase vorne hat, dem gebührt nicht nur ein ganzes Jahr lang Ruhm und Ehre, auch die Teilnahme im kommenden Jahr ist ihm sicher.
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Es ist drei Uhr morgens, der erste Karnevalsabend des Jahres neigt sich dem Ende zu. An einer Straßenkreuzung steht Diosa. Sie wirkt derangiert. Ihr Make-up ist verlaufen, die Federkrone verrutscht. Die Göttin heißt im wirklichen Leben Clara, sie wohnt in einer kleinen Siedlung am Rande der Stadt. Müde stapft sie zur nächsten Häuserecke. Ein letztes Mal zeigt sie ihr strahlendes Lächeln, dann verschwindet sie erschöpft im Dunkel der Nacht. Auch
Göttinnen müssen irgendwann mal schlafen gehen.

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Von FOCUS-Online-Autor Fabian von Poser www.focus.de
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