Harley-Treffen Sturgis - Invasion der Eisenhaufen
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Harley-Treffen Sturgis - Invasion der Eisenhaufen
Einmal im Jahr suchen 500 000 Harley-Fahrer das US-Kaff Sturgis heim. Die Tage sind laut, die Nächte freizügig und die Einheimischen alles andere als unglücklich darüber.
Einmal im Jahr suchen 500 000 Harley-Fahrer das US-Kaff Sturgis heim
Dieser nette ältere Herr hatte offensichtlich keine Lust, fotografiert zu werden
In vier Reihen parken die Eisenhaufen aus Milwaukee. Die Gassen dazwischen dienen als Flaniermeile.
Ironie des Schicksals, dass das größte Harley-Treffen der Welt ausgerechnet auf dem Gelände einer Indian-Werkstatt – der anderen legendären US-Motorradmarke – begann. Rund ein Dutzend befreundeter Biker hatte sich dort getroffen, um ein bisschen zu feiern. Dean McNenny war von klein auf mit dabei, er ist auf dem Nachbargrundstück aufgewachsen. „Lange war die Rally ein beschauliches Dorffest. Unglaublich“, erinnert sich der 75-Jährige und blickt von seinem Laden hinaus auf die Straße.
Auf der Main Street des 6442-Seelendorfs ist die Hölle los. Harleys, so weit das das Auge reicht. In vier Reihen parken die Eisenhaufen aus Milwaukee: Bike an Bike an beiden Straßenrändern, in der Mitte stehen sie Scheinwerfer an Scheinwerfer. Die schmalen Gassen dazwischen dienen als Flaniermeile.
Krasse Bikes, coole Typen, blonde Bräute: Auf der Sturgis-Rally werden Biker-Klischees gelebt
Heuschrecke auf zwei Rädern
An den Querstraßen stehen Polizisten, die von überall her aus den USA rekrutiert werden
Ganz Sturgis ist ein Harley-Parkplatz
„Potato, Potato“ – bassschwanger blubbernd zuckeln die Maschinen auf und ab, jede so einzigartig wie ihr Reiter: Vor Chrom strotzende Tourer, gestretchte Dynas, verbreiterte Fat Boys, minimalistische Sportster, bis zur Unkenntlichkeit verbaute Irgendwas, bei denen nur noch der V2-Motor auf Harley verweist. Obenauf thronen Dicke, Dürre, Bärtige, Glatzköpfige, Tätowierte und Rasierte – Männer und Frauen, die auf den ersten Blick neben der Leidenschaft zu Harleys nur der kapitale Sonnenbrand eint.
An den Querstraßen stehen Polizisten, die von überall her aus den USA rekrutiert werden, da Sturgis selbst nur knapp 15 eigene Cops hat. In erster Linie regeln sie den Verkehr, achten darauf, dass die schleichenden Monstermopeds an den Stoppschildern auch wirklich kurz anhalten. An den Maschinen zeigen die Ordnungshüter allenfalls privates Interesse – dienstlich brauchen sie nichts zu beanstanden.
Die Gärten werden kurzerhand in Campingplätze umfunktioniert. 35 Dollar pro Zelt und Nacht sind normal.
Auffällig viele Frauen fahren dicke Harleys
Dicker als so mancher Sportwagen-Reifen
Für Jungs gilt das Brustwarzen-Verhüllgebot natürlich nicht
Erlaubt ist, was gefällt – und was gut klingt. Da geht es dann auch ohne Vorderradbremse und mit leer geräumten Auspuffstummeln. Schalldämpfer in den Auspuffen? Da lacht Officer Lowry: „Das wird in Deutschland wirklich verlangt? Mann, wir sind ein freies Land hier“, sagt er und schaltet seine Neonblaue Motorbeleuchtung an. Die einzige wichtige Regel für Biker in South Dakota: Wer ohne Helm fährt – was ab 18 Jahren jeder darf und auch tut – muss zum Schutz der Augen eine Brille tragen. Auch sonst ist spärliche Bekleidung Programm, die Vorgaben hier: Höschen und verdeckte Nippel. Zumindest tagsüber halten sich auch die meisten daran.
Gegen Abend verlagert sich die Party zunehmend in die Bars und provisorischen Saloons – weil auf der Straße kein Alkohol getrunken werden darf. Üble Ausschreitungen und Exzesse sind selten, Officer Lowry gibt sich gelassen. Früher sei jedenfalls weit mehr los gewesen, blickt Sturgis-Veteran McNenny zurück. Besonders ein Vorfall aus den rauen 70er-Jahren, als Rockerbanden einfielen und mitten im Park japanische Motorräder aufknöpften und abfackelten, hat sich in seine Erinnerungen eingebrannt: Eine Horde Betrunkener hatte Benzin über die vierspurige Straße gekippt, um dann Vollgas mit ihren Harleys durch die Feuerwand zu brechen – die Fahrer waren nackt.
Das sind die Geschichten, die Sturgis zur Legende machten – und den Einheimischen letztlich gute Geschäfte sichern. Irgendwie scheinen alle zu profitieren, kaum einer, für den nicht ein Stück vom Kuchen abfällt: Entlang der Einfallstraße, die den ganzen Tag über ein einziger großer Stau ist, verkaufen Kinder kühle Getränke. Leicht bekleidete Mädchen bieten Mopedpflege im Bikini an. Die Vorgärten werden kurzerhand in Park- und Campingplätze umfunktioniert.
Manche haben sich ganz dem Mythos Sturgis verschrieben. Wie etwa Dean McNenny, der seine Kunstgalerien aufgab und ins Geschäft mit T-Shirts und Accessoires umschwenkte. Heute hat er mehrere Läden und einen florierenden Internethandel. Er ist immer in Sturgis geblieben, hat – die Kriegsjahre ausgenommen – keine einzige Rally verpasst. Wenn man ihn fragt, ob er es zu einem reichen Mann gebracht hat, lächelt er und meint: „Ich arbeite vier Monate im Jahr und kann die anderen acht recht gut davon Leben.“
Von FOCUS-Online-Redakteur Bernhard Santer, Sturgis www.focus.de
Einmal im Jahr suchen 500 000 Harley-Fahrer das US-Kaff Sturgis heim
Dieser nette ältere Herr hatte offensichtlich keine Lust, fotografiert zu werden
In vier Reihen parken die Eisenhaufen aus Milwaukee. Die Gassen dazwischen dienen als Flaniermeile.
Ironie des Schicksals, dass das größte Harley-Treffen der Welt ausgerechnet auf dem Gelände einer Indian-Werkstatt – der anderen legendären US-Motorradmarke – begann. Rund ein Dutzend befreundeter Biker hatte sich dort getroffen, um ein bisschen zu feiern. Dean McNenny war von klein auf mit dabei, er ist auf dem Nachbargrundstück aufgewachsen. „Lange war die Rally ein beschauliches Dorffest. Unglaublich“, erinnert sich der 75-Jährige und blickt von seinem Laden hinaus auf die Straße.
Auf der Main Street des 6442-Seelendorfs ist die Hölle los. Harleys, so weit das das Auge reicht. In vier Reihen parken die Eisenhaufen aus Milwaukee: Bike an Bike an beiden Straßenrändern, in der Mitte stehen sie Scheinwerfer an Scheinwerfer. Die schmalen Gassen dazwischen dienen als Flaniermeile.
Krasse Bikes, coole Typen, blonde Bräute: Auf der Sturgis-Rally werden Biker-Klischees gelebt
Heuschrecke auf zwei Rädern
An den Querstraßen stehen Polizisten, die von überall her aus den USA rekrutiert werden
Ganz Sturgis ist ein Harley-Parkplatz
„Potato, Potato“ – bassschwanger blubbernd zuckeln die Maschinen auf und ab, jede so einzigartig wie ihr Reiter: Vor Chrom strotzende Tourer, gestretchte Dynas, verbreiterte Fat Boys, minimalistische Sportster, bis zur Unkenntlichkeit verbaute Irgendwas, bei denen nur noch der V2-Motor auf Harley verweist. Obenauf thronen Dicke, Dürre, Bärtige, Glatzköpfige, Tätowierte und Rasierte – Männer und Frauen, die auf den ersten Blick neben der Leidenschaft zu Harleys nur der kapitale Sonnenbrand eint.
An den Querstraßen stehen Polizisten, die von überall her aus den USA rekrutiert werden, da Sturgis selbst nur knapp 15 eigene Cops hat. In erster Linie regeln sie den Verkehr, achten darauf, dass die schleichenden Monstermopeds an den Stoppschildern auch wirklich kurz anhalten. An den Maschinen zeigen die Ordnungshüter allenfalls privates Interesse – dienstlich brauchen sie nichts zu beanstanden.
Die Gärten werden kurzerhand in Campingplätze umfunktioniert. 35 Dollar pro Zelt und Nacht sind normal.
Auffällig viele Frauen fahren dicke Harleys
Dicker als so mancher Sportwagen-Reifen
Für Jungs gilt das Brustwarzen-Verhüllgebot natürlich nicht
Erlaubt ist, was gefällt – und was gut klingt. Da geht es dann auch ohne Vorderradbremse und mit leer geräumten Auspuffstummeln. Schalldämpfer in den Auspuffen? Da lacht Officer Lowry: „Das wird in Deutschland wirklich verlangt? Mann, wir sind ein freies Land hier“, sagt er und schaltet seine Neonblaue Motorbeleuchtung an. Die einzige wichtige Regel für Biker in South Dakota: Wer ohne Helm fährt – was ab 18 Jahren jeder darf und auch tut – muss zum Schutz der Augen eine Brille tragen. Auch sonst ist spärliche Bekleidung Programm, die Vorgaben hier: Höschen und verdeckte Nippel. Zumindest tagsüber halten sich auch die meisten daran.
Gegen Abend verlagert sich die Party zunehmend in die Bars und provisorischen Saloons – weil auf der Straße kein Alkohol getrunken werden darf. Üble Ausschreitungen und Exzesse sind selten, Officer Lowry gibt sich gelassen. Früher sei jedenfalls weit mehr los gewesen, blickt Sturgis-Veteran McNenny zurück. Besonders ein Vorfall aus den rauen 70er-Jahren, als Rockerbanden einfielen und mitten im Park japanische Motorräder aufknöpften und abfackelten, hat sich in seine Erinnerungen eingebrannt: Eine Horde Betrunkener hatte Benzin über die vierspurige Straße gekippt, um dann Vollgas mit ihren Harleys durch die Feuerwand zu brechen – die Fahrer waren nackt.
Das sind die Geschichten, die Sturgis zur Legende machten – und den Einheimischen letztlich gute Geschäfte sichern. Irgendwie scheinen alle zu profitieren, kaum einer, für den nicht ein Stück vom Kuchen abfällt: Entlang der Einfallstraße, die den ganzen Tag über ein einziger großer Stau ist, verkaufen Kinder kühle Getränke. Leicht bekleidete Mädchen bieten Mopedpflege im Bikini an. Die Vorgärten werden kurzerhand in Park- und Campingplätze umfunktioniert.
Manche haben sich ganz dem Mythos Sturgis verschrieben. Wie etwa Dean McNenny, der seine Kunstgalerien aufgab und ins Geschäft mit T-Shirts und Accessoires umschwenkte. Heute hat er mehrere Läden und einen florierenden Internethandel. Er ist immer in Sturgis geblieben, hat – die Kriegsjahre ausgenommen – keine einzige Rally verpasst. Wenn man ihn fragt, ob er es zu einem reichen Mann gebracht hat, lächelt er und meint: „Ich arbeite vier Monate im Jahr und kann die anderen acht recht gut davon Leben.“
Von FOCUS-Online-Redakteur Bernhard Santer, Sturgis www.focus.de
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