Kein Konsum, kein Sex, keine Lügen

Tief im Frankenwald, in Stammbach bei Bayreuth, gründeten Deutsche das erste buddhistische Mönchskloster, das Muttodaya. Ein Interview mit dem Abt Cattamalo.

FOCUS-Redakteurin Simone Kunz traf den 42-jährigen Abt Ajahn Cattamalo, der früher Torsten Friedrich hieß.

FOCUS: Warum haben Sie mir zur Begrüßung den Handgruß verweigert?

Ajahn Cattamalo: Das ist Teil der mönchischen Entsagungspraxis. Bitte interpretieren Sie das nicht als Beleidigung. Ich als Mönch vermeide die Berührung einer Frau, da sie für mich als Mann von Natur aus anziehend ist. Genau genommen ist es das Gegenteil von Abwertung, nämlich die Wahrnehmung der Attraktivität, die der oder die andere ausstrahlt. Das praktizieren buddhistische Nonnen in Bezug auf Männer genauso. In Asien verhalten sich auch Laien auf diese Weise. Sie kennen das sicher, dass sich Menschen in Asien mit gefalteten Händen begrüßen, statt sich zu berühren. Natürlich kommt hinzu, dass junge Mönche naturgemäß mehr Schwierigkeiten haben, nicht in sexuelle Versuchung zu geraten. Gerade in Thailand, wo ich lange gewesen bin, ist das Zölibat für junge Mönche angesichts der sehr hübschen Thai-Mädchen zuweilen ein wahrer Kraftakt.

FOCUS: Gehen Sie bei allen Frauen auf Abstand?

Cattamalo: Meine Mama nehme ich schon manchmal in den Arm. Obwohl das ein Zeichen familiärer Zuneigung ist, die Buddha zu durchbrechen empfahl. Die Großfamilie verkörpert im Herkunftsland Buddhas, in Indien, das extreme Festhalten an vielen Dingen, die unsere Entwicklung behindern.

FOCUS: Wenn Sie in Ihrer erdfarbenen Robe durch deutsche Straßen gehen, wie reagieren die Leute auf Sie?

Cattamalo: Die Leute sind unheimlich positiv eingestellt. Ich bin selbst überrascht, dass ich in Deutschland bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht habe. Junge Männer riefen mir vom Auto aus „Gandhi“ zu oder „Hare Krishna“ und „Bhagwan“. Vier junge Türken imitierten, als sie mich erblickten, die Meditationshaltung. Und in meinem alten Café in Mühlheim an der Ruhr grinsten mich alte Kumpel an und fragten, ob ich jetzt die Lederjacke abgelegt hätte.



FOCUS: Wie wird ein Deutscher buddhistischer Mönch?

Cattamalo: Mit 21 Jahren wollte ich Kunst studieren und Zeichnungen für die Bewerbungsmappe vorbereiten. Dafür reiste ich nach Thailand in ein Waldkloster. Bald merkte ich, dass ich schon Buddhist war, obwohl ich nie zuvor etwas von dieser Lehre gehört hatte. Es gab einen Moment, in dem ich gleichzeitig große innere Freude und auch Trauer empfand und weinte. Freude, weil ich erkannte, dass ich etwas gefunden hatte, was meinem Leben einen tieferen Sinn gab. Trauer, weil mir bewusst wurde, dass ich alles Vertraute hinter mir lassen musste. Nach zwei Jahren der Vorbereitung als Laie und Novize erhielt ich im Oktober 1988 die Ordination zum Mönch.

FOCUS: Seitdem leben Sie im Wald?

Cattamalo: Ja, sieben Jahre in Thailand, 13 Jahre in Perth in Australien.

FOCUS: Was macht man als junger Mann 20 Jahre lang im Wald?

Cattamalo: Ich lebte die ersten fünf Jahre bei meinem Lehrer, der mir die buddhistische Lehre vermittelte und mich in die Prozess der Meditation einwies. Ich lernte Körper und Geist zu disziplinieren und mich mit dem auseinanderzusetzen, wovon man sonst davonläuft.

FOCUS: Wovor denn?

Cattamalo: Vor der Auseinandersetzung mit sich selbst. Man lernt sich kennen. Zunächst lernt man seine eigene Gegenwart zu ertragen, später zu dulden und schließlich zu schätzen. Man lernt, mit dem eigenen Geist umzugehen und ihn zu entfalten.

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Von FOCUS-Redakteurin Simone Kunz www.focus.de