Der Tote im Spreewald“
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Der Tote im Spreewald“
Bei all den Kochshows und Supertalenten und TV-Testern kann man als Zuschauer schon mal vergessen, dass Fernsehen auch gut sein kann. Richtig gut, wie der Krimi „Der Tote im Spreewald“.
Halt. Ganz ruhig. Erst einmal durchatmen, bitte. Tut das gut? Es tut gut. „Die meisten Menschen jagen der Zeit hinterher und verfluchen sie. Für mich ist sie eine Verbündete.“ Es ist der außergewöhnliche Kommissar Krüger (Christian Redl), der diesen Satz sagt. Und es der außergewöhnliche ZDF-Krimi „Der Tote im Spreewald“, in dem dieser außergewöhnliche Satz gesagt wird.
Ein Krimi, in dem Action nur ist, wenn Kähne still über die Fließe gleiten und wenn sich der Nutria mit einem leisen Platsch ins Wasser flüchtet. Sonst? Sonst findet die Bewegung einzig im Kopf statt. Und das ist in Zeiten, wo nicht nur der Zeit ohne Sinn und Verstand hinterhergejagt wird, sondern im Fernsehen auch den Verbrechern, ganz sicher eines: ein Zeichen für Qualität.
Der Spreewald ist das misslungene Werk des Teufels, ein Werk der Ungeduld“, rezitiert Daniel Bartkos (Hinnerk Schönemann). In Rückblenden wird der erschlagene Fährmann immer wieder lebendig. Dann tippt er einen Abschiedsbrief ins Notebook, wo er seiner schwangeren Frau (überzeugend: Nadja Uhl) seinen „kalten Abschied“ erklärt. Noch versucht er zu rechtfertigen, warum er mit der polnischen Freundin einen Neuanfang in Australien sucht. Da findet ihn schon die Polizei in einem zugefrorenen Seitenarm der Wasserstraßen. Und zwei Beamte wetten, ob der dritte Kollege, der die Leiche herausziehen soll, ins Eis einbricht. Ja, er bricht ein. Fünf Euro für den Gewinner. Ein wirklich kalter Abschied für den Toten, der sich den Abschied in aller Kälte zu Lebzeiten doch ganz anders vorgestellt hatte.
Im Spreewald, in der Schönheit seiner Spiegelungen, blühen zum deutsch-deutschen Jubiläum die Landschaften nur in zerborstenen Träumen. Daniel ist schon als Sorbe die geborene Minderheit. Er hat es zum Ingenieur des Bergbaus gebracht, doch das zu einer Zeit, als der Bergbau keine Ingenieure mehr brauchte. Er war beim Cargolifter, doch vom Gütertransport per Luftschiff oder Ballon ist nicht mehr geblieben als heiße Luft. Er war beim Lausitz-Ring, und das große Rad, das hier gedreht werden sollte, kommt nicht richtig auf Touren. Die blühenden Träume sind verblüht mit den blühenden Landschaften, die der DDR versprochen waren. Es bleibt der Spreewald. Doch auch als Fährmann scheitert Daniel. Das Opfer ist ein Rundum-Opfer. Am Ende liegt er im eisigen Wasser, erschlagen vom eigenen Schwiegervater.
Den Weg der Tätersuche vom Mordopfer zum Mörder schmückt die Kamera mit viel Dunkel. Mit üppiger Unschärfe und reichlich Spreewald-Spiegelung im Teufelsgewässer. Und die Geschichte gönnt sich Ungewohntes, wenn ein Sofa im Zeitraffer verfällt. Oder wenn der Tote durchs Verhör streicht, während der Kommissar die Frau des Opfers vernimmt. Kunstvoll wird das Surreale aufgefangen, wenn die Witwe konstatiert: „Ich glaub’, ich verliere den Verstand.“ Der bekannteste Prominente der Region, die Spreewald-Gurke, kommt übrigens auch vor, in einer Gastrolle. Da sitzt Kommissar Krüger beim Single-Abendessen mit Bier und Brotzeit auf Brettchen. Und die Erinnerung spiegelt kurz die bessere Zeit ein, eine Zeit mit Wein zu Fisch und Frau.
„Für mich ist die Zeit eine Verbündete?“ Kunststück bei so einem Kunstwerk, einem gelungenen Werk der Geduld. 90 Minuten genussvoll durchatmen. Was mehr kann Fernsehen leisten? Von FOCUS-Redakteur Josef Seitz www.focus.de
Halt. Ganz ruhig. Erst einmal durchatmen, bitte. Tut das gut? Es tut gut. „Die meisten Menschen jagen der Zeit hinterher und verfluchen sie. Für mich ist sie eine Verbündete.“ Es ist der außergewöhnliche Kommissar Krüger (Christian Redl), der diesen Satz sagt. Und es der außergewöhnliche ZDF-Krimi „Der Tote im Spreewald“, in dem dieser außergewöhnliche Satz gesagt wird.
Ein Krimi, in dem Action nur ist, wenn Kähne still über die Fließe gleiten und wenn sich der Nutria mit einem leisen Platsch ins Wasser flüchtet. Sonst? Sonst findet die Bewegung einzig im Kopf statt. Und das ist in Zeiten, wo nicht nur der Zeit ohne Sinn und Verstand hinterhergejagt wird, sondern im Fernsehen auch den Verbrechern, ganz sicher eines: ein Zeichen für Qualität.
Der Spreewald ist das misslungene Werk des Teufels, ein Werk der Ungeduld“, rezitiert Daniel Bartkos (Hinnerk Schönemann). In Rückblenden wird der erschlagene Fährmann immer wieder lebendig. Dann tippt er einen Abschiedsbrief ins Notebook, wo er seiner schwangeren Frau (überzeugend: Nadja Uhl) seinen „kalten Abschied“ erklärt. Noch versucht er zu rechtfertigen, warum er mit der polnischen Freundin einen Neuanfang in Australien sucht. Da findet ihn schon die Polizei in einem zugefrorenen Seitenarm der Wasserstraßen. Und zwei Beamte wetten, ob der dritte Kollege, der die Leiche herausziehen soll, ins Eis einbricht. Ja, er bricht ein. Fünf Euro für den Gewinner. Ein wirklich kalter Abschied für den Toten, der sich den Abschied in aller Kälte zu Lebzeiten doch ganz anders vorgestellt hatte.
Im Spreewald, in der Schönheit seiner Spiegelungen, blühen zum deutsch-deutschen Jubiläum die Landschaften nur in zerborstenen Träumen. Daniel ist schon als Sorbe die geborene Minderheit. Er hat es zum Ingenieur des Bergbaus gebracht, doch das zu einer Zeit, als der Bergbau keine Ingenieure mehr brauchte. Er war beim Cargolifter, doch vom Gütertransport per Luftschiff oder Ballon ist nicht mehr geblieben als heiße Luft. Er war beim Lausitz-Ring, und das große Rad, das hier gedreht werden sollte, kommt nicht richtig auf Touren. Die blühenden Träume sind verblüht mit den blühenden Landschaften, die der DDR versprochen waren. Es bleibt der Spreewald. Doch auch als Fährmann scheitert Daniel. Das Opfer ist ein Rundum-Opfer. Am Ende liegt er im eisigen Wasser, erschlagen vom eigenen Schwiegervater.
Den Weg der Tätersuche vom Mordopfer zum Mörder schmückt die Kamera mit viel Dunkel. Mit üppiger Unschärfe und reichlich Spreewald-Spiegelung im Teufelsgewässer. Und die Geschichte gönnt sich Ungewohntes, wenn ein Sofa im Zeitraffer verfällt. Oder wenn der Tote durchs Verhör streicht, während der Kommissar die Frau des Opfers vernimmt. Kunstvoll wird das Surreale aufgefangen, wenn die Witwe konstatiert: „Ich glaub’, ich verliere den Verstand.“ Der bekannteste Prominente der Region, die Spreewald-Gurke, kommt übrigens auch vor, in einer Gastrolle. Da sitzt Kommissar Krüger beim Single-Abendessen mit Bier und Brotzeit auf Brettchen. Und die Erinnerung spiegelt kurz die bessere Zeit ein, eine Zeit mit Wein zu Fisch und Frau.
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