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Flüchtling für eine Nacht - Grenzerfahrung für Touristen

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Beitrag von sigi So Okt 26, 2008 1:49 pm

Das nordmexikanische Dorf El Alberto zeigt sich ausgesprochen einfallsreich: Touristen können hier hautnah die Flucht über die Grenze in die USA proben.

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Touristen können sich eine Nacht lang als echte Flüchtlinge fühlen

Sirenen heulen durch die kalte Nacht, Scheinwerfer suchen das Gelände ab. Eine Gruppe Mexikaner geht in Deckung, kauert sich ins Gras. „Schnell, lauft, bleibt nicht stehen!“, flüstert der Schlepper und treibt die ihm Anvertrauten eine felsige Böschung hinunter, auf der Flucht vor der Grenzpolizei. „Nicht bewegen!“, brüllt eine Männerstimme auf Englisch durch die Dunkelheit, Schüsse sind zu hören.

Die Szene wirkt bedrohlich, doch Angst muss hier niemand haben. Die Grenze zu den USA ist noch rund 1600 Kilometer entfernt. Die Grenzschützer in ihren Jeeps sind auch keine US-Beamten, sondern mexikanische Dorfbewohner. Und die Flüchtlinge sind diesmal Landsleute, die für das nächtliche Abenteuer bezahlen.

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Hautnah erleben Touristen die simulierte Flucht über die Grenze zu den USA

Vor vier Jahren entstand in der Gemeinde El Alberto im mexikanischen Bundesstaat Hidalgo die Idee zu der ungewöhnlichen Nachtwanderung, die den illegalen Grenzübertritt simuliert. 90 Prozent der 1100 Einwohner von El Alberto haben schon in den USA gelebt und gearbeitet. Viele von ihnen gelangten illegal in das reiche Nachbarland. „Die Idee der Nachtwanderung entstand, weil wir das selbst erlebt und durchlitten haben. Wir machen das, weil wir wissen, wie das funktioniert“, erklärt Luis García Bravo. Der 42-Jährige überquerte die Grenze 1987 zum ersten Mal. Jetzt spielt er für die Touristen den Schlepper.

Die „Caminata Nocturna“ findet fast jedes Wochenende statt. Als Ausgangsort dient eine kleine Ferienanlage, die die Gemeinde zwischen ihren Mais- und Bohnenfeldern betreibt. Die simulierte Flucht ist eine weitere Einnahmequelle neben den Schlauchbootfahrten und Campingausflügen. Für die Erfahrung, sich einmal als richtiger Flüchtling zu fühlen, zahlen die Touristen zwischen 100 und 250 Pesos (zwischen sechs und 15 Euro). Inzwischen kommen jedes Jahr Hunderte aus ganz Mexiko und selbst aus dem Ausland, um sich eine Nacht lang durch die Wildnis zu schlagen.

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Der „Schlepper“ gibt der Gruppe letzte Anweisungen für die Nachtwanderung

„Am Anfang warfen uns die Behörden vor, wir würden die Einwanderung fördern und verlangten, dass wir damit aufhören“, erinnert sich einer der Veranstalter, der eine Sturmhaube trägt und sich Pancho nennt. Die Menschen in El Alberto wollen die Nachtwanderung aber keinesfalls als Training für künftige Flüchtlinge verstanden wissen, im Gegenteil. „Wir hoffen, dass die Teilnehmer sich fürchten und deshalb nicht mehr rübergehen wollen“, versichert Bravo. Seit die USA in der Finanzkrise steckten, lohne sich die Flucht ohnehin nicht mehr. „Früher gab es dort für uns gute Arbeit für guten Lohn, aber jetzt ist das viel härter wegen der Krise“, sagt Bravo.

Nach einem Nachmittag am sonnigen Pool der Ferienanlage macht sich eine Gruppe von 60 mexikanischen Oberschülern auf in die Wildnis. Stundenlang schleppen sie sich im Dunkeln durch das unwegsame Gelände, in dem sich Ratten und Schlangen tummeln. Einige Schüler schreien vor Angst, als sie Tiere im Wald hören; ein Mädchen verstaucht sich den Knöchel. Als sie wieder nach El Alberto zurückkehren, haben die falschen Flüchtlinge erst einmal genug vom Auswandern.

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Die „Caminata Nocturna“ – Nachtwanderung – wird offiziell als Extremsport eingestuft

„Ich denke, das wird sicher Eindruck hinterlassen“, glaubt die Englischlehrerin der Schüler. „Das Schlimmste war die Unsicherheit – nicht zu wissen, wohin man geht“, erzählt die 18-jährige María Isabel Golec nach der Nachtwanderung. „Ich hatte keine Angst, aber es ist seltsam, in die Haut eines anderen zu schlüpfen und sich zu fühlen wie die, die über die Grenze wollen“, meint der 19-jährige Sergio Salinas. „Ich wusste, dass diese Leute viel leiden, aber mir war nicht klar, wie sehr.“ ad/AFP www.focus.de
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