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Auf der Panamericana durch die Wüste

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Beitrag von sigi Di Aug 04, 2009 6:25 pm

Die Entdeckung der Wüste: 2000 Kilometer von Chiles Hauptstadt Santiago in Richtung Norden auf der legendären Panamericana.

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Seltsam, mit welchem Feuer in den Augen die Menschen in Santiago de Chile jeden auf die Reise schicken, der nach Norden aufbricht. „In den Norden!“, sagen sie, und Wehmut schwingt in den Stimmen, „in die Wüste!“ Meist bleibt ein Moment, in dem ein kurzer Traum Platz findet, dann sagen sie noch: „Schön!“ Santiago ist eine moderne Stadt geworden, mit modernen Häusern, modernen Omnibussen und weniger Smog als früher. Sogar eine Kläranlage bauen sie jetzt für die rund sechs Millionen Menschen, und an der schillernden Welt der Waren können mehr Bewohner teilhaben als je zuvor. Doch scheint es, als blickten die meisten sehnsüchtig dorthin, wo nichts schillert, wo nur die Stille herrscht.

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Die Wüste kommt nicht – die Vegetation geht. Ganz langsam geht sie auf einer Fahrt in den Norden Chiles. Zuerst verschwinden die gelben Gräser, die im Wind über die Hügel wogten wie blondes Haar. Dann schrumpfen die Bäume dahin zu krummen Bäumlein, die Blätter der Büsche werden hart und dornig. Irgendwann tauchen Kakteen auf, wie Kerzenständer sehen sie aus, und bald gibt es ganze Hänge, auf denen nur stachelige gelbgrüne Kerzenständer wachsen. Die Büsche gehen auf Distanz zueinander, erst wie Sommersprossen, dann wie Muttermale, schließlich wie einzelne Leberflecken auf der Haut der Erde. Am Ende der Moment, in dem zum ersten Mal gar nichts mehr wächst. Es ist ein schauerlich schöner Anblick, dieser erste nackte Berg, der nichts mehr ist als reine Gestalt.

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Jeder Ort entlang der Panamericana kündigt sich an, lange, bevor die nackten Berge den Blick auf ihn freigeben. Werbetafeln, großflächig wie Dreizimmerwohnungen, stehen Spalier, mit stählernen Seilen festgezurrt gegen die Gewalt des Orkans. Mobiltelefone attackieren das Auge, Autohersteller, Getränkehersteller. Wo kein Werbepartner gefunden wurde, wird der Autofahrer ermahnt. Respektieren Sie die Verkehrszeichen! Fahren Sie vorsichtig! Schnallen Sie sich an! Hin und wieder schleicht sich eine Fluggesellschaft auf die Werbetafeln und zielt auf geheime Wünsche zermürbter Fernfahrer: „Wenn ich nur schon in Antofagasta wäre!“ Als ob Fliegen eine Lösung wäre.

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Was wäre die Wüste ohne Coca-Cola? Ohne dieses himmelschreiende Rot, dem nicht einmal der Sonnenuntergang im Pazifik widerspricht? Womöglich verdankt Coca-Cola seinen Erfolg der verzweifelten Suche der Menschen nach mehr Farbe. Nicht nur auf den Werbetafeln schreit es einen an, dieses Rot. Es schreit auf 18 Meter langen Lastzügen. Es schreit auf dickbauchigen Schildern, hoch über der einfachsten Wellblechhütte. Auf Plastikstühlen schreit es und auf Sonnenschirmen, die schmucklose Veranden aus Beton in moderne Raststätten verwandeln. Ganze Dörfer erröten unter der Wucht der Werbemittel aus Atlanta. Und für Momente schleicht sich die Wüste davon.

Niemals ist das Nichts ganz leer. Manchmal spazieren Menschen durch die Wüste, fern jeder Siedlung, scheinbar ohne Ziel. Wo kommen sie her? Wo wollen sie hin? Warum blicken sie unaufhörlich auf ihre Schuhe? Warum versuchen sie nicht, das einzige Fahrzeug, das ihren Weg kreuzt, anzuhalten? Mag sein, dass diese Landschaft auch die Zeit ausbreitet, bis sie frei und übersichtlich bis zum Tod vor einem da liegt. Wer gehen muss, geht eben. Wer einen langen Weg gehen muss, geht einen langen Weg. Weshalb ihn abkürzen? Weshalb den Weg meiden? Die Menschen, die durch die Wüste spazieren, wirken entrückt. Als liege ihr einziges Ziel im Gehen, immerfort. Von FOCUS-Online-Autor Peter Linden www.focus.de
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