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Krimi der Woche-Siebenfache Rache?

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Krimi der Woche-Siebenfache Rache? Empty Krimi der Woche-Siebenfache Rache?

Beitrag von sigi So Jun 01, 2008 10:34 pm

Weitab von Blutbädern und Verfolgungsjagden erzeugt Guillermo Martínez in „Der langsame Tod der Luciana B.“ Spannung auf hohem Niveau.

Guillermo Martínez, Der langsame Tod der Luciana B., Eichborn, 198 Seiten, 17,95 Euro

Vor zehn Jahren war Luciana für einen Monat seine Sekretärin – eine Art Leihgabe des sagenumwobenen und hochtalentierten Schriftstellers Kloster. Der namenlose Erzähler, seines Zeichens Kriminalschriftsteller, verliebte sich ein wenig in die schöne Frau mit dem reizenden Hals (man beachte die wunderbare Umsetzung auf dem Schutzumschlag) und musste sie nach Ablauf des Monats wieder gehen lassen, denn für Kloster war Luciana nicht nur perfekte Sekretärin, sondern auch unverzichtbare Muse. Nun steht sie vor ihm: gealtert, verhärmt, mit den Nerven am Ende. Sie bittet ihn um Hilfe, da sie glaubt, bald sterben zu müssen. Genauer gesagt, sie glaubt, dass Kloster sie umbringen wird.

Ein Schriftsteller sinnt auf biblische Rache
Denn kurze Zeit nachdem Luciana wieder zu ihrer Arbeit bei Kloster zurückgekehrt war, näherte sich dieser ihr – und sie verklagte ihn wegen sexueller Belästigung. In den folgenden Jahren kam Lucianas Verlobter bei einem Unfall um, ihre Eltern starben an einer Pilzvergiftung, und ihr Bruder wurde von einem flüchtigen Gefangenen umgebracht. Luciana ist sicher, dass Kloster hinter all dem steckt, dass Kloster sich für die Anzeige rächen und sie nach langen Jahren des Leids töten wird. Einziger Beweis für ihre absurd scheinende Theorie ist ein Buch, das Kloster ihr diktiert hatte, als sie noch für ihn arbeitete. Ein Buch, das trotz seines Bestsellerautor-Status, den er mittlerweile erlangt hat, nie erschien. Ein Buch, in dem es um biblische Rache wie für Kain geht: siebenfache Rache.

Der Kriminalschriftsteller lässt sich für Lucianas Sache einspannen. Nicht zwingend, weil er ihr uneingeschränkt Glauben schenkt, vielmehr weil er entsetzlich neugierig auf den sagenumwobenen Kloster ist. Kloster stimmt einem Treffen tatsächlich zu und schildert die Geschichte aus seiner Sicht. Er gibt zu, Luciana Böses gewünscht zu haben, da ihn nach ihrer Anzeige seine Frau verließ und die gemeinsame Tochter mitnahm. Klosters Tochter – sein Ein und Alles. Alleingelassen mit ihrer rachsüchtigen, das Kind absichtlich vernachlässigenden Mutter, ertrank sie bald darauf in der Badewanne – was Kloster das Herz brach.

Er gibt sogar noch mehr zu, zum Beispiel, dass er am Unfallort war, als Lucianas Verlobter starb. Und auch, noch immer an diesem Buch zu schreiben, von dem das Mädchen gesprochen hatte, in dem es um siebenfache Rache geht. Aber macht ihn das wirklich zum Mörder von Lucianas Familie? Sind doch alle Tode zweifelsfrei Unfälle, oder der Täter steht fest. Wie also kann Kloster dahinterstecken? Er schreibt nur an einem Buch! Und doch, auf gewisse Weise steckt er dahinter.

Herausforderung des Lesers
Der argentinische Mathematiker Guillermo Martínez hatte mit seinem dritten Roman „Die Pythagoras-Morde“ einen Welterfolg, der mittlerweile auch verfilmt wurde. Der Nachfolger „Der langsame Tod der Luciana B.“ kommt mit viel weniger Personal, mit einer reduzierten Story und weniger mathematischen, eher philosophischen Fragen daher. „Was wäre, wenn“ steht hinter dieser Erzählung. Was also wäre, wenn die Literatur das Leben schriebe und nicht umgekehrt? Sowohl Lucianas als auch Klosters Monologe ziehen den Leser schnell in ihren Bann. Der Ich-Erzähler ist mehr Beobachter als Akteur, mehr Fräulein von Scuderi als Auguste Dupin. Man hofft, zusammen mit ihm Zeichen zu finden, die die Auflösung von Lucianas Situation zulassen, die Kloster als gewieften Mörder oder Luciana als bewusstseinsvernebelte Irre überführen.

Nichts davon wird geschehen. Oder vielleicht doch? Der Leser hat bei diesem Buch eine Menge zu tun. Es ist keine Nachttischlektüre, die man auf zehnminütige Happen vor dem Einschlafen verteilt. Sie liest sich am besten am Stück – kurz und kompakt genug ist sie -, damit einem keine Einzelheit entgeht. „Der langsame Tod der Luciana B.“ fordert den Leser heraus. Gute Literatur macht so etwas. Von FOCUS-Online-Autorin Henrike Heiland www.focus.de
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