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Krimi der Woche-Geplanter Amoklauf

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Beitrag von sigi Do Apr 17, 2008 7:16 pm

Nur noch sieben Tage will Peter Crumb leben. In dieser Zeit legt er eine Blutspur quer durch London und möchte sich selbst und seinen größten Widersacher töten.
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Jonny Glynn, Sieben Tage, Verlag S. Fischer, 272 Seiten, 18,90 Euro


Peter Crumb lebt in der Hölle. Nicht nur wegen der dreckigen Souterrainwohnung im Londoner Osten, in der er haust, sondern weil er seit dem tragischen Tod seiner kleinen Tochter nicht mehr allein ist in seinem Kopf: Peter Crumb, identifikationsstiftender Icherzähler und abscheulicher Protagonist zugleich, hat eine Art Schizophrenie entwickelt, und der andere, der ihn ständig begleitet, gibt ihm Anweisungen, demütigt und beleidigt ihn, misshandelt ihn gar, zwingt ihn, Dinge zu tun, die er sonst niemals tun würde.

Deshalb hat Crumb beschlossen, dem ganzen ein Ende zu setzen. In sieben Tagen wird er sich umbringen und damit auch ihn, den namenlosen anderen. Doch diese sieben Tage gilt es herumzubringen. Die morgendliche Schlagzeile in der Zeitung soll helfen. Und da Schlagzeilen selten etwas Gutes verheißen, stiften sie Crumb unweigerlich zu Mord, Drogenexzessen und Vergewaltigung an. Der andere ist immer dabei, begeht aus Crumbs Sicht die Taten mal selbst, mal steht er daneben und kommentiert sie. Mal macht er Crumb ein schlechtes Gewissen, bis sich dieser schämt, mal verachtet er ihn, weil er zu viel Mitgefühl mit seinen Opfern hatte.

Fortschreitender Kontrollverlust
Crumb hat sich selten noch unter Kontrolle. Er schreit den anderen in der Öffentlichkeit an, doch weil diesen niemand sehen kann, erntet er verwirrte Blicke oder bringt sich in teils peinliche, teils bedrohliche Situationen. Sein Versuch, mit früheren Arbeitskollegen in einem Pub Kontakt aufzunehmen, mündet in größtmöglicher Peinlichkeit und elender Scham. Er wird schließlich auf das jämmerlichste verprügelt. Frauen reagieren auf ihn mit Ablehnung, denn er ist schon lange nicht mehr der Hingucker, der er früher einmal gewesen sein mag. Einzig die Putzfrau Milka, eine attraktive junge Osteuropäerin, deren Studium hier nichts wert ist, nimmt sich seiner an und kümmert sich um seine Blessuren, ohne Fragen zu stellen.

Seine scheinbar ziellosen Blutbäder können nicht unbemerkt bleiben, und als das Fernsehen Bilder seiner Taten zeigt, von Überwachungskameras aufgezeichnet, flieht er nach Leeds, um sich bei seiner Ex-Ehefrau zu verstecken. Es wird ein sehr kurzer Besuch, ein Eintauchen in eine für Crumb irreale, nichtssagende bürgerliche Normalität, die er einmal selbst lebte und die für ihn nicht mehr erreichbar ist. Ändern kann seine Konfrontation mit der Vergangenheit daher nichts: Der Plan, in wenigen Tagen Selbstmord zu begehen und bis dahin die Schlagzeilen entscheiden zu lassen, was passieren wird, bleibt bestehen.

Fesselnd und abstoßend zugleich
Peter Crumb ist dabei nur scheinbar eine englische Ausgabe von Bret Easton Ellis‘ Patrick Bateman. Crumb versucht nicht, die Leere seines Daseins zu füllen, er will vielmehr die Schuld, die er sich am Tod seiner kleinen Tochter gibt, kompensieren. Die jahrelangen Selbstvorwürfe, Abschaum zu sein, das ständige Gefühl, vor anderen als Versager dazustehen, trieben ihn in diese schizophrene Spaltung seiner selbst, die er nun nicht mehr aufzuheben vermag außer durch den Tod. Doch das Ende der Woche belehrt ihn eines Besseren: Es kommt zu einer Art moralischer Verschiebung, denn der andere versucht ihn zu überreden, sich der Polizei zu stellen.

Crumb jedoch scheint jegliche Schuldgefühle hinter sich gelassen zu haben und empfindet nur noch Verachtung für sein anderes Ich. Die Machtverhältnisse haben sich mit der Schuldfrage grundlegend geändert. Dann folgt ein Terroranschlag auf einen Londoner Bus, bei dem Crumb verletzt wird, und die Presse feiert ihn tags drauf als Helden. Kann es bei so einer Schlagzeile beim Selbstmord bleiben? Wird Peter Crumb seinen inneren Widersacher los? 17 Jahre nach „American Psycho“ und nur kurz nach David Peace ist dieser Roman in seiner plastischen Darstellung blutiger Morde und sexueller Gewalthandlungen keine schockende Novität mehr. Dafür handelt es sich um ein hoch spannendes, packendes Psychogramm, das zugleich abschreckt und fesselt und einen lange nicht mehr loslässt. Von FOCUS-Online-Autorin Henrike Heiland www.focus.de
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