700 Euro für ein Mädchen – „Chinas gestohlene Kinder“
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700 Euro für ein Mädchen – „Chinas gestohlene Kinder“
Mit einer beklemmenden Reportage über Kinderhandel in China kratzt RTL noch einmal nachdrücklich am Image des Olympia-Gastgebers.
Viermal werden wir noch wach, heißa, dann ist Fackeltag! Doch bevor sich dann alles um das Land der Mitte dreht und um die mehr oder minder natürlichen Höchstleistungen, setzt das Fernsehen am Montagabend einiges dran, hinter die mächtigen Kulissen des Gastgebers China zu schauen. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Beeindruckend etwa die ARD-Reportage „Unbequem und unbestechlich“: Das TV-Team begleitete chinesische Journalisten bei ihren Recherchen. Es blickt ihnen über die Schulter und ins Notizbuch, wenn sie Bauern befragen, denen das Ackerland geraubt wurde, um es mit Wohlstandssymbolen zu betonieren. Die deutsche Kamera filmt, wie chinesische Reporter Umweltverschmutzung nachweisen wollen, die längst offensichtlich ist. Totes Land, tote Bürger – während die olympischen Hostessen akkurat acht Zähne beim Lächeln zeigen, werden die, die reden könnten, mundtot gemacht.
Weniger nüchtern und umso emotionaler versucht es die Reportage-Reihe „Extra Spezial“: Thema sind „Chinas gestohlene Kinder“. Etwa 70 000 Kinder sollen in China jährlich entführt oder verkauft werden. Verschleppt werden meist kleine Jungen, in Zeiten der Ein-Kind-Politik ein wertvolles Gut. In China rät man deshalb Eltern, ihren Sohn fotografieren zu lassen, um eine eventuelle Suche zu erleichtern. Geraubt wurde auch Chen Jie, fünf Jahre alt. Seine Eltern heuern einen Privatdetektiv an, der sich halbherzig auf die Suche nach dem Jungen macht. Der Sender heißt RTL, und deshalb nehmen Tränen und künstliche Dramatik zumindest zu Beginn viel Sendezeit ein. Im Gedächtnis bleiben dennoch ein Zeigefinger, der sehnsüchtig das Foto des Jungen streichelt, und das Klagen der Mutter: „Wenn es regnet, frage ich mich, ob er nass wird“. Eine Antwort bekommt sie nicht, am Ende der Reportage bleibt Chen Jie verschwunden.
Hässliche Mädchen kann man nicht mal verschenken
Ein anderes Paar, ungeplant und unerlaubt schwanger, will das Kind nach der Geburt verkaufen, weil die Bußgelder zu hoch sind. Es wird ein Mädchen. Der Vater streichelt die winzige Babyhand, dann verhandelt er über den Preis. 400 Euro? Zu wenig! Der Kinderhändler fühlt sich so sicher, dass er sich filmen und interviewen lässt. Ein hübsches Mädchen, meint er, bringt bis zu 700 Euro – ein hässliches kann man nicht mal verschenken. Ein niedlicher Junge kann Vermittler und Eltern reich machen. Der Händler hat auch seinen eigenen sechsjährigen Sohn verkauft. Er brachte leider nicht viel ein. „Ich bin nur ein Agent“, sagt der Händler. „Andere Fähigkeiten habe ich nicht.“ Künstliche Dramatik hat RTL hier schon nicht mehr nötig: Alleine zuzuhören, wie der Vermittler mit einer Mutter um den Preis ihres einjährigen Sohnes feilscht, tut weh. Marktwirtschaft, wie sie unmenschlicher nicht sein kann.
War es richtig, die Olympischen Spiele an das chinesische Regime zu vergeben? Es ist müßig, darüber jetzt noch zu diskutieren. Die Hoffnung, das Land würde sich angesichts der Weltöffentlichkeit der Demokratie öffnen, starb bereits beim Aufstand in Tibet. In den nächsten Wochen wird man überall damit beschäftigt sein, auf Gold zu hoffen und Helden zu feiern. So gesehen ist es gut, dass das Fernsehen vorab so starke Bilder ins Land schickte, die auch der stärkste Medaillenregen nicht verdrängen kann. Von FOCUS-Redakteurin Beate Strobel www.focus.de
Viermal werden wir noch wach, heißa, dann ist Fackeltag! Doch bevor sich dann alles um das Land der Mitte dreht und um die mehr oder minder natürlichen Höchstleistungen, setzt das Fernsehen am Montagabend einiges dran, hinter die mächtigen Kulissen des Gastgebers China zu schauen. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Beeindruckend etwa die ARD-Reportage „Unbequem und unbestechlich“: Das TV-Team begleitete chinesische Journalisten bei ihren Recherchen. Es blickt ihnen über die Schulter und ins Notizbuch, wenn sie Bauern befragen, denen das Ackerland geraubt wurde, um es mit Wohlstandssymbolen zu betonieren. Die deutsche Kamera filmt, wie chinesische Reporter Umweltverschmutzung nachweisen wollen, die längst offensichtlich ist. Totes Land, tote Bürger – während die olympischen Hostessen akkurat acht Zähne beim Lächeln zeigen, werden die, die reden könnten, mundtot gemacht.
Weniger nüchtern und umso emotionaler versucht es die Reportage-Reihe „Extra Spezial“: Thema sind „Chinas gestohlene Kinder“. Etwa 70 000 Kinder sollen in China jährlich entführt oder verkauft werden. Verschleppt werden meist kleine Jungen, in Zeiten der Ein-Kind-Politik ein wertvolles Gut. In China rät man deshalb Eltern, ihren Sohn fotografieren zu lassen, um eine eventuelle Suche zu erleichtern. Geraubt wurde auch Chen Jie, fünf Jahre alt. Seine Eltern heuern einen Privatdetektiv an, der sich halbherzig auf die Suche nach dem Jungen macht. Der Sender heißt RTL, und deshalb nehmen Tränen und künstliche Dramatik zumindest zu Beginn viel Sendezeit ein. Im Gedächtnis bleiben dennoch ein Zeigefinger, der sehnsüchtig das Foto des Jungen streichelt, und das Klagen der Mutter: „Wenn es regnet, frage ich mich, ob er nass wird“. Eine Antwort bekommt sie nicht, am Ende der Reportage bleibt Chen Jie verschwunden.
Hässliche Mädchen kann man nicht mal verschenken
Ein anderes Paar, ungeplant und unerlaubt schwanger, will das Kind nach der Geburt verkaufen, weil die Bußgelder zu hoch sind. Es wird ein Mädchen. Der Vater streichelt die winzige Babyhand, dann verhandelt er über den Preis. 400 Euro? Zu wenig! Der Kinderhändler fühlt sich so sicher, dass er sich filmen und interviewen lässt. Ein hübsches Mädchen, meint er, bringt bis zu 700 Euro – ein hässliches kann man nicht mal verschenken. Ein niedlicher Junge kann Vermittler und Eltern reich machen. Der Händler hat auch seinen eigenen sechsjährigen Sohn verkauft. Er brachte leider nicht viel ein. „Ich bin nur ein Agent“, sagt der Händler. „Andere Fähigkeiten habe ich nicht.“ Künstliche Dramatik hat RTL hier schon nicht mehr nötig: Alleine zuzuhören, wie der Vermittler mit einer Mutter um den Preis ihres einjährigen Sohnes feilscht, tut weh. Marktwirtschaft, wie sie unmenschlicher nicht sein kann.
War es richtig, die Olympischen Spiele an das chinesische Regime zu vergeben? Es ist müßig, darüber jetzt noch zu diskutieren. Die Hoffnung, das Land würde sich angesichts der Weltöffentlichkeit der Demokratie öffnen, starb bereits beim Aufstand in Tibet. In den nächsten Wochen wird man überall damit beschäftigt sein, auf Gold zu hoffen und Helden zu feiern. So gesehen ist es gut, dass das Fernsehen vorab so starke Bilder ins Land schickte, die auch der stärkste Medaillenregen nicht verdrängen kann. Von FOCUS-Redakteurin Beate Strobel www.focus.de
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