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„Lebenslänglich“-Vorsicht vor Verlierern

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„Lebenslänglich“-Vorsicht vor Verlierern Empty „Lebenslänglich“-Vorsicht vor Verlierern

Beitrag von sigi So Okt 19, 2008 8:44 am

Philipp Moog, Schauspieler und Drehbuchautor, hat seinen ersten Roman geschrieben. Ein leiser Krimi, eine sehr präzise Chronik des Alltags und des Scheiterns.

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Philipp Moog: Lebenslänglich, DuMont, 192 Seiten, 17,90 Euro


Er ist klein, blass und dick. Einer von denen, die man selbst auf den zweiten Blick nicht bemerkt. Ein Nichts, ein Niemand, eine Null. Und so fühlt er sich auch – der kleine rothaarige, unauffällige, unscheinbare Kassierer in einer Münchner Bank.

Gefangen nicht nur in seiner verglasten Kassenbox, gefangen auch in seinem verhassten Körper: „Meine Oberschenkel reiben stoßend aneinander, mein Bauch versucht meinen Körper mit kreisenden Bewegungen aus dem Gleichgewicht zu bringen, während meine Hängetitten ihren ganz eigenen Rhythmus gefunden haben und mir abwechselnd auf die Wampe klatschen. Ich möchte das nicht in Zeitlupe sehen.“

Allein in seinem Tagebuch – das wir lesen – bricht die Verzweiflung aus ihm heraus, mitunter zynisch, manchmal sarkastisch, aber leider auch unfähig, über den Tellerrand des eigenen schrägen Egos hinauszuschauen.

Philipp Moog, eigentlich Schauspieler und als Synchronsprecher mitunter die deutsche Stimme von Orlando Bloom, schildert in seinem Debütroman „Lebenslänglich“ den dauernden Kampf seines Antihelden gegen die vermeintlich feindliche Welt: Da sind die nervigen Kunden vor seiner Kassenbox, der geschäftige Filialleiter – und vor allem die Liebhaber und Freunde der beiden von ihm angehimmelten Kolleginnen Daphne und Yvonne. Wenn die nicht nur Augen für ihre muskelbepackten Liebhaber hätten, dann würden sie selbstverständlich auch ihn wahrnehmen. Denkt er. Und überlegt sich, dass man die Schönlinge einfach aus der Welt schaffen müsste. Dass er sie umbringen könnte. Einfach so.

Philipp Moogs kleines Nichts mordet nicht mit der Exaltiertheit, die Bret Easton Ellis seinem „American Psycho“ Patrick Bateman zuschreibt, unser Held ist kein Ästhet des Grauens wie all die Serienmörder, die seit Jahren ihre Blutspur durch das Krimi-Genre legen. Unser kleiner, dicker Bankkassierer greift ganz nebenbei zum alltäglichen Mordwerkzeug, um die Liebhaber seiner Kolleginnen aus dem Weg zu räumen – und siehe da, es geht ganz einfach: „Er sieht mich wortlos an. Vor ihm steht das perfekte physiognomische Feindbild, das es da oben in der ersten Etage, in seinem Sportclub, zu bekämpfen gilt. Entsprechend freundlich, herablassend verändert sich sein Gesichtsausdruck. Mit einer kurzen kräftigen Bewegung ramme ich ihm die Fonduegabel in die Brust.“

Der Fluch der bösen Tat
Doch wenn unser Held meint, damit hätte er sich jetzt den Weg freigemordet in eine schönere und bessere Welt, dann hat er sich bitter getäuscht. Denn Daphne und Yvonne haben nichts Besseres zu tun, als sich für die dahingegangenen Bettgenossen umgehend Ersatz aus der gleichen Liga zu suchen. So kommt ein Mord zum anderen, zieht sich das Netz um unseren ewigen Verlierer immer enger zusammen – allerdings nicht wegen der eher beiläufigen Ermittlungen der Kripo, sondern einfach durch die eigene Verstrickung in das Gespinst von Selbsttäuschung und Verzweiflung.

Es ist das leise Psychogramm eines „lonely losers“, mit dem Philipp Moog in seinem Romandebüt überzeugt, dessen Hörbuchfassung er in einer hervorragenden Interpretation selbst eingelesen hat. Wie er da in seinen namenlosen Helden hineinkriecht, ihm auf seinen verzweifelten Mordwegen folgt, das ist ein Krimi-Kammerspiel auf hohem Niveau. Einfach schildern, was ist, kaum etwas deuten, die Dinge und die Menschen für und aus sich selbst sprechen lassen – diese Idee hat auch schon das unvergleichliche Flair der Romane von Georges Simenon ausgemacht. Von FOCUS-Online-Autor Reinhard Jahn www.focus.de
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